Johannes Brahms
Ein deutsches Requiem
Bearbeitung für Kammerorchester (arr. J. Linckelmann) op. 45
Trost, Hoffnung und Freude
Das Brahms Requiem mit seiner zutiefst menschlichen und interreligiösen Botschaft, die die Schmerz und Trauer überwindende Liebe in den Mittelpunkt stellt, wurde bei diesen Aufführungen zu einem Ereignis, mit dem das Vokalensemble Gaienhofen nicht nur sein 30jähriges Chorjubiläum, sondern auch das Leben feierte.
In der Bearbeitung von J. Linckelmann für Chor, Solisten und Kammerorchester erklang das Werk in zwei beeindruckenden und berührenden Konzerten am 5. und 6. November 2022 in Gaienhofen und Radolfzell. Das Besondere an diesem Monument der Kirchenmusik ist, dass Brahms dafür Texte aus dem Alten und Neuen Testament ausgewählt hat, in denen der Trost für die Lebenden im Mittelpunkt steht. Sein Werk versteht sich als eine von Ernst, Würde und Zuversicht getragene Musik für die Lebenden. Der Tod erscheint als Bruder Schlaf, als ein Tor zur Ruhe, zur Heimkehr. Gleich zu Beginn, mit dem Zitat aus der Bergpredigt - "Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. - Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten" – hat Brahms das Grundthema des Requiems mit all seinen Spannungen umrissen.
Die Bearbeitung des Deutschen Requiems sieht statt der Bläser-Besetzung eines Sinfonieorchesters ein Holzbläserquintett vor. Die herausfordernde Aufgabe, die dieses Werk an das gesamte Ensemble stellt, bewältigte das Kammerorchester Gaienhofen mit Miriam Büttner als Konzertmeisterin unter dem Dirigat von Siegfried Schmidgall mit Souveränität und Bravour.
Die hervorragende Sing- und Klangkultur des Vokalensembles Gaienhofen zeigte sich bereits beim ersten Choreinsatz im Piano mit den Worten aus der Bergpredigt „Selig sind, die da Leid tragen“. Eindrucksvoll gelang es Siegfried Schmidgall, die gesamte Bandbreite des Chores auszuspielen, sei es im Pianissimo zu Beginn, im Crescendo des 2. Satzes „denn alles Fleisch es ist wie Gras“, im Jubel der „ewigen Freude“, im Forte des ewigen Lobpreises oder im Dialog mit den Solisten. Wach, präzise, intonationssicher und souverän folgte der Chor auch bei schwierigen Tempowechsel dem Dirigenten, der das Werk in seiner ganzen Tiefgründigkeit beim Wort nahm.
Julia Küsswetter (Sopran) sang ihren Part ergreifend: schlicht, zärtlich, aber nicht niedlich. Wann ist Trost jemals so festgehalten worden? Kammersänger Armin Kolarczyk (Bariton) überzeugte klar und prophetisch mit viel musikalischem Feingefühl, Ausstrahlung und Verständnis für seine Partie.
Der „tiefe Ernst“ dieses Meisterwerks, auch seine Versöhnlichkeit, „vereint mit allem Zauber der Poesie, wunderbar, erschütternd und besänftigend,“ wie Clara Schumann schrieb, klang in diesen Aufführungen an und veranlasste die Zuhörer – vor Beifall und Standing Ovations – zu andächtigem Schweigen.
Dorothea Fischer